Putte muss bleiben!

Das zehnte Geschichtscafé

Wir dürfen nun wieder Präsenzveranstaltungen organisieren und starten am 16. August um 20 Uhr im Garten des Olof-Palme-Zentrums mit einem Kinoabend unter freiem Himmel. Das Popcorn lassen Sie bitte zu Hause, denn es geht Beispiele der politischen Filmarbeit aus den 1970er Jahren. Denn bevor das Brunnenviertel abgerissen und neu gebaut wurde (Flächensanierung) gab es durchaus Widerstand. Gerd Conradt hat mit seiner Seminargruppe in einer Kollektivarbeit diesen Streit im Kiez auf dem damals jungen Medium Video festgehalten. Gerd Conradt wird am 16. August anwesend sein. Eine Einführung gibt Filmkurator Florian Wüst.

Hintergrundinfos
Im Frühjahr 1974 wurde die „Putte“ in der Rügener Str. 20 geräumt und abgerissen. Das Kinder- und Jugendzentrum, das auch als Wohngemeinschaft, Schülerladen und Hobbyraum diente, war eines der ersten besetzten Häuser in West-Berlin. Das von Gerd Conradt gemeinsam mit einer Seminargruppe des Instituts für Theaterwissenschaften der FU Berlin gedrehte Video Putte muss bleiben zeigt den Kampf der betroffenen Weddinger Jugendlichen um den Erhalt ihres Projekts. Neben der Darstellung der Wohn- und Lebensverhältnisse im Brunnenviertel sowie Interviews mit Anwohner*innen, Mitstreiter*innen der Putte und Vertretern von Polizei und Bezirk dokumentiert das Video die Demonstrationen gegen den Abriss, die damals auf breite Unterstützung stießen, aber letztlich erfolglos blieben: die Abrissbirne durchlöchert mit gnadenloser Gewalt die gemauerten Wände des Hauses. Die zehn Jahre später aktualisierte Fassung des Videos macht sichtbar, dass die Versprechungen, an gleicher Stelle eine neue Einrichtung für Jugend- und Kinderarbeit zu bauen, bis dahin nicht erfüllt wurden.

Als Vorfilm zeigen wir Max Willutzkis Kurzfilm Mietersolidarität von 1970 über die verhinderte Zwangsexmittierung einer siebenköpfigen Familie im Märkischen Viertel. Viele der Bewohner*innen des historischen Brunnenviertels wurden damals im Rahmen der städtebaulichen Sanierung des südlichen Weddings in das Märkische Viertel umgesetzt.

Beide Filme sind Beispiele für die Ansätze  sowohl der politischen Filmarbeit als auch der Mitte der 1970er Jahre aufkommenden videoaktivistischen Bewegung, um eine kritische Gegenöffentlichkeit herzustellen. Der von den neuen medialen Mitteln unterstützte Widerstand gegen die Sanierungspolitik des Senats führte spätestens in den 1980er Jahren zur Umorientierung hin zu einer behutsameren Stadterneuerung. Was vor 50 Jahren im Wedding und im Märkischen Viertel geschah, ist heute hinsichtlich der wieder zugespitzten Wohnungsfrage und der Verdrängung von einkommensschwachen Haushalten, Kleingewerbe und sozialen wie kulturellen Einrichtungen in Berlin aktueller denn je.